Virologen: Wandern mit Abstand nicht gefährlich

Bewegung an der frischen Luft birgt nach Einschätzung des Münchner Virologen Oliver Keppler bei Einhaltung der Abstandsregeln sehr geringe Corona-Ansteckungsgefahren. «Es gibt Studien, denen zufolge die Ansteckungswahrscheinlichkeit in geschlossenen Räumen neunzehnmal höher sein könnte», sagte der Chef der Virologie am Max-Pettenkofer-Institut der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität am Mittwoch. «Wenn man draußen Abstand hält und eine Mund-Nasen-Bedeckung trägt, ist das Risiko praktisch null.»

Deutschlandweit wird aus Wintersportgebieten von den Bayerischen Alpen bis zum Harz reger Andrang gemeldet. Das hat besorgte Diskussionen über mögliche Ansteckungsgefahren zur Folge, der Miesbacher Landrat Olaf von Löwis hatte Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU) zum Einschreiten aufgefordert. Das Landratsamt Ostallgäu verkündete am Mittwoch Maskenpflicht am beliebten Hopfensee, weil der aus Infektionsschutzgründen notwendige Mindestabstand auf der Uferstraße nicht mehr eingehalten werden könne.

«Die Leute sollen ja auch ein bisschen raus und an die frische Luft gehen», sagte Keppler zu der Debatte. «In Skigebieten könnte es am Lift und in Gondeln problematische Engstellen geben, sogar wenn man eine FFP2-Maske trägt. Aber Wandern, Schlittenfahren und Tourengehen halte ich für ein wirklich geringes Risiko, wenn man zu anderen Familien Abstand hält.»

Geöffnet sind Skigebiete derzeit in Österreich und der Schweiz, in Bayern sind sie ausnahmslos geschlossen. Dennoch verzeichnen Garmisch-Partenkirchen und andere Wintersportorte regen Besuch von Skifahrern, Rodlern und Wanderern, die die Berge ohne Lift aus eigener Kraft erklimmen.

Allerdings ist der Andrang auch nicht größer als etwa in München, wo sich an jedem sonnigen Wochenende Tausende auf den Spazierwegen an der Isar oder im Englischen Garten tummeln. Die bayerische Polizei sieht bislang keine außergewöhnliche Situation in den Ausflugsgebieten, appelliert aber an die Bürger, sich die Auswahl der Ziele gut zu überlegen.

«Ein Problem könnten vielleicht Verkaufsstände sein, vor denen die Menschen Schlange stehen», sagte Keppler. «Aus meiner eigenen Beobachtung halten sich aber nahezu 100 Prozent der Leute auch hier an die Abstandsregeln, und sehr viele tragen eine Mund-Nasen-Bedeckung.»

Ein weiteres mögliches Risiko: «Problematisch könnte auch sein, wenn sich Familien mit anderen Familien zum Spazierengehen verabreden und einander dabei nahe kommen oder gar in einem Auto fahren», sagte der Wissenschaftler. «Letzteres ist ein bekanntes Ansteckungsrisiko. Aber solange sich die Menschen an der frischen Luft und in ihrer jeweiligen familiären Blase bewegen, sehe ich da keine Gefahr.»

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte am Vorabend unter Verweis auf die Landesverfassung im Bayerischen Rundfunk klargestellt, dass die Staatsregierung keine weiteren Beschränkungen plant: «Auf der anderen Seite gibt es das Recht auf freien Genuss der Natur nach unserer Verfassung», sagte der CSU-Politiker. «Und die Menschen dürfen wandern gehen, sie dürfen spazieren gehen.»

Die Polizeipräsidien Oberbayern Süd und Schwaben Süd/West kündigten an, in beliebten Ausflugsregionen mehr Präsenz zu zeigen und Parkverbote zu kontrollieren. Zudem wurden Ausflügler aufgefordert, Fahrten in viel besuchte Gebiete zu überdenken.

Besonders betroffen ist nach Angaben der Polizei die Gegend um Spitzing- und Schliersee in Oberbayern, beide im Landkreis Miesbach gelegen. Dort waren Parkplätze oft schon am frühen Vormittag belegt gewesen, auf der Zufahrt staute sich der Verkehr.

«Das ist aber nicht so außergewöhnlich», sagte ein Polizeisprecher. «Es gab erheblichen Ausflugsverkehr – wie an allen anderen Wochenenden auch.» Dennoch forderte die Polizei dazu auf, jede Fahrt in das Gebiet zu überdenken: «Wägen Sie vor Fahrtantritt bitte gründlich ab, ob Sie für Ihren Ausflug unbedingt Ihren Wohnort verlassen müssen!»

Auch im Nationalpark Bayerischer Wald gibt es Klagen. Einzelne Ausflügler seien dort «kreuz und quer durch das Kerngebiet» gelaufen und hätten dadurch störungsempfindliche Tierarten wie das Auerhuhn gefährdet, sagte der stellvertretende Leiter des Nationalparks, Jörg Müller.