Sea-Eye“-Retter wollen nächstes Jahr noch mehr Flüchtlingen helfen

Mit einem umgebauten Fischkutter haben der Regensburger Michael Buschheuer und die Mitglieder seines Vereins „Sea-Eye“ in diesem Jahr fast 5600 Flüchtlingen im Mittelmeer das Leben gerettet. Im nächsten Jahr wollen die Helfer ein zweites Schiff auf See schicken.

Acht Meter lang, nicht einmal drei Meter breit und alles andere als stabil: Auf den wackeligen Schlauchbooten sind stets 120 bis 150 Menschen eingepfercht. Ein Diesel-Fäkalien-Gemisch im Bootsinneren verätzt ihre Füße oder der verabreichte Benzin-Trunk vergiftet sie innerlich. Das Gebräu ist der neueste Clou der Schlepper, die damit die Flüchtlinge für die Überfahrt übers Mittelmeer ruhig stellen. Einige der Menschen sterben daran noch auf
dem Flüchtlingsboot – lange bevor die „Sea-Eye“ oder ein anderes Schiff sie retten kann. Die Hoffnung auf ein Leben ohne Krieg, Gewalt und Mord hat sie auf das Boot getrieben. Hauptsache weg. Dafür nehmen sie auch den Tod in Kauf.

„Es ist nämlich völlig aussichtslos, mit diesen Booten lebend das rettende Ufer zu erreichen“, sagt Michael Buschheuer. Der 39 Jahre alte Unternehmer und zweifache Familienvater aus Regensburg hat an diesem kalten  Novemberwochenende Mitglieder, Helfer und Interessierte in seine Heimatstadt zum Jahrestreffen geladen. Mit ihrem umgebauten Fischkutter „Sea-Eye“ haben Buschheuer und sein Verein in diesem Jahr fast 5600 Flüchtlingen im Mittelmeer das Leben gerettet. Im nächsten Jahr wollen sie noch mehr tun.

Die neuen Crewmitglieder, die sich für einen jeweils zweiwöchigen ehrenamtlichen Einsatz auf der „Sea-Eye“ gemeldet haben, saugen die Erfahrungen der Mitglieder auf, die bereits einen oder mehrere Einsätze auf dem Boot hinter sich haben: Wie läuft eine Seenotrettung ab? Wie nähere ich mich einem Flüchtlingsboot? Aber auch praktische
Einsätze stehen beim Treffen auf dem Programm: Da wird in der eiskalten Donau geübt, wie man bewusstlose Menschen ins Rettungsboot zieht, wie Signalfackeln gezündet, Rettungswesten angezogen und Rettungsinseln aufgeblasen werden.

Der Verein hat 95 Mitglieder. Weitere fast 500 Helfer und Aktivisten aus ganz Deutschland unterstützen ihn tatkräftig. Gut 80 Ehrenamtliche haben bereits einen zweiwöchigen Dienst im Mittelmeer absolviert. Und es haben sich noch viele Freiwillige mehr gemeldet, die mit der „Sea-Eye“ auslaufen wollen. Einige werden im nächsten Jahr die Gelegenheit haben: Spätestens am 7. März, vielleicht sogar früher, will Buschheuer mit seinem Kutter wieder auslaufen.

Derzeit wird die „Sea-Eye“ in einer Werkstatt vor Sizilien auf Vordermann gebracht. Buschheuer passt diese Zwangspause gar nicht: „Auch jetzt noch wagen Menschen die Flucht übers Mittelmeer. Aber es
sind kaum noch Rettungsschiffe vor Ort.“ Zudem kostet jede Reparatur Geld. Bisher hat Buschheuers Aktion etwa 250 000 Euro gekostet – finanziert durch Spenden. Auch im nächsten Jahr ist der 39-Jährige wieder auf großzügige Unterstützer angewiesen.

Er will seine Rettungseinsätze sogar verdoppeln, eine zweite „Sea-Eye“ vor die libysche Küste schicken. „Wir rechnen 2017 mit noch mehr Menschen, die die lebensgefährliche Flucht auf dem Mittelmeer wagen.“ Derzeit sucht er nach einem passenden Kutter. „Und vielleicht auch irgendwann nach einem dritten“, sagt er. „Etwa 4000 Menschen
sind dieses Jahr ertrunken. Da ist jedes Leben zu viel. Solange Flüchtlinge im Mittelmeer sterben, legen wir nach“, verspricht der 39-Jährige. „Denn Menschen ertrinken zu lassen, bedeutet moralisches Versagen und ist durch nichts zu rechtfertigen.“

Auf Pöbeleien oder Anfeindungen höre er gar nicht mehr. Auch sehe er sich nicht als „Helfershelfer der Schlepper“, wie ihm oft vorgeworfen wird. Buschheuer winkt ab und verweist auf die Mission Mare Nostrum,
mit der Italien bis 2014 Hunderttausenden das Leben gerettet hat. Nach dem Ende der Mission kamen jedoch viele weitere Flüchtlinge über das Meer. Auch die fehlende Aussicht auf Rettung habe die verzweifelten Menschen nicht davon abhalten können. „Im Jahr darauf machten sich wieder Zehntausende auf den gefährlichen Weg. Und
Tausende ertranken jämmerlich“, sagt Buschheuer.

Genau deshalb habe er sich im Herbst 2015 mit Freunden und Familie zu der privaten Rettungsinitiative entschlossen. Von dem Vorschlag seiner Kritiker, die Flüchtlinge nach der Rettung nach Libyen zurückzubringen, hält er nichts. „Viele haben dort jahrelang als Sklaven gelebt und fürchterliche Torturen über sich ergehen lassen.“
Wenn diese Menschen zurück müssten, „würden sich viele vorher umbringen“, ist Buschheuer überzeugt.