Regensburger Projekt „Sea eye“ rettet 354 Flüchtlinge im Mittelmeer

Mit einem umgebauten Fischkutter hat der Regensburger Michael Buschheuer mit den Mitgliedern seines Vereins „Sea-Eye“ Hunderten schiffbrüchigen Flüchtlingen im Mittelmeer das Leben gerettet – in nur wenigen Wochen. Nun üben neue Crewmitglieder auf der Donau

Ein acht Meter langes schwarzes Schlauchboot. Darauf eingepfercht 123 Menschen, gut 50 Seemeilen von der libyschen
Küste entfernt. Unter ihnen eine hochschwangere Frau. Die Hoffnung auf ein Leben ohne Krieg, Gewalt und Mord hat sie auf das Boot getrieben. Die Hoffnung aber ist zunichte, jemals Land zu erreichen. Das Boot ist manövrierunfähig, droht jeden Augenblick zu sinken.

Die Crew der „Sea-Eye“ entdeckt die Hilflosen rechtzeitig, kann sie in einem vierstündigen Einsatz am vergangenen Donnerstag retten. Schnell setzt sie einen SOS-Notruf an die Seenotrufleitstelle Mittelmeer ab, damit ein größeres Schiff sich um die Flüchtlinge aus Nigeria, Gambia, Kamerun und Libyen kümmern kann.

Bis dahin ist es Aufgabe der Crew, die Menschen im Schlauchboot mit Essen, Trinken und – wenn nötig – Decken zu versorgen. Da es der Hochschwangeren sehr schlecht geht, wird sie an Bord der „Sea-Eye“genommen und medizinisch versorgt. Schließlich bringt die „Dignity  I“, ein Schiff der Ärzte ohne Grenzen, die Flüchtlinge nach Italien.
Für den Transport der Menschen ist die „Sea-Eye“ nicht geeignet.

Während der umgebaute Fischkutter nach der Rettungsaktion wieder den sicheren Hafen in Malta und damit die Basisstation ansteuert, üben in Regensburg künftige Crewmitglieder auf der Donau, wie man Menschen
rettet. Wie nähert man sich einem Schlauchboot mit Flüchtlingen? Wie hole ich einen Menschen, der im Wasser treibt, ins Boot? Was mache ich, wenn er bewusstlos ist? Wie setze ich eine Rettungsinsel ein?

Erfahrene Crewmitglieder, die bis zu 14 Tage auf der „Sea-Eye“ ihren Dienst getan haben, geben am Samstag ihre Erfahrungen an die Kollegen weiter. Sie erklären beispielsweise, wie die Rettungsinsel an Bord
aufgeblasen und eingesetzt wird. Diese sorgt vor allem für eine Entlastung der meist überfüllten Flüchtlingsboote. „Hunger, Durst, starke und direkte Sonneneinstrahlung von oben, eingepfercht auf einem Schlauchboot – das kann zu massiven sozialen Verwerfungen an Bord führen“, hat Michael Buschheuer, Initiator der „Sea-Eye“-Aktion,
selbst erfahren. „Statt von einem Boot kann man auch von einem besseren Teppich sprechen, auf dem 123 Menschen kauern.“

Zum Glück seien diese Rettungsaktion sowie zwei weitere, die bisher mit anderen Schiffen von der „Sea-Eye“-Besatzung gestemmt wurden, erfolgreich vonstatten gegangen. 354 Flüchtlingen hat das Team so insgesamt schon geholfen. Buschheuer musste aber auch miterleben, wie eine Rettungsaktion scheiterte: „Vergeblich haben wir Menschen
gesucht, die absichtlich aus dem Boot geworfen wurden.“ Das komme öfter vor als man denke. Die Not auf den Schlauchbooten sei sehr groß. „Und kein einziges hat eine echte Chance, jemals Europa zu erreichen. Das ist aussichtslos“, sagt Buschheuer.

Aus genau diesem Grund entschloss sich der 39-jährige Regensburger Unternehmer und zweifache Familienvater im Herbst 2015, mit Freunden und Familie sowie mit Hilfe von Spendengeldern ein privates Rettungsschiff im Mittelmeer zu betreiben, das schiffbrüchige Flüchtlinge auf ihrer gefährlichen Fahrt nach Europa rettet. „Menschen ertrinken zu lassen bedeutet für mich menschliches Versagen und ist durch nichts zu rechtfertigen“, sagt Buschheuer.

Seit Anfang April ist der in Rostock umgebaute Fischkutter „Sea-Eye“ mit einer jeweils achtköpfigen Crew im Einsatz. Rund 70 Helfer aus ganz Deutschland wechseln sich als Crewbesatzung ab, opfern ihren Jahresurlaub, um anderen Menschen das Leben zu retten.

So auch Unternehmensberater Friedhold Ulanska aus dem Stuttgarter Raum. Seit einigen Tagen ist er wieder zurück. Der Einsatz ging an dem 59-Jährigen nicht spurlos vorüber: „Bei der Rettung war ich einerseits auch erleichtert, dass wir Menschen helfen konnten – aber zugleich auch wütend darüber, dass man Menschen in solche Boote
setzt.“ Buschheuer ergänzt, die Flüchtlinge wüssten oft nicht, was sie wirklich auf dem Meer erwarte. „Und wer mit einem kleinen Kind in ein solches Schlauchboot steigt, würde alles riskieren, um einfach nur wegzukommen. So groß ist ihr Leid.“