Maibaum digital und Mai-Bonsai dahoam – Dorfplätze bleiben leer

Nicht höher als der Kirchturm soll der Maibaum sein – das gebietet der Respekt. Dieses Jahr allerdings gibt es mancherorts erheblich kleinere Exemplare. Denn die Corona-Krise macht bereits im zweiten Jahr in Folge die traditionellen Maifeiern mit dem Aufstellen neuer Bäume unmöglich – und so hat ein oberbayerischer Brauchtumsverein den Mini-Maibaum dahoam kreiert: Klein und Küchentisch-tauglich im Maßstab 1:100. Zwei Frauen in dem niederbayerischen Ort Train wiederum haben eine Vorgartenversion entwickelt. Und Deggendorf feiert den «Digitalen Maibaum».

Vielerorts aber bleiben die Dorfplätze dieses Jahr leer. «Man fährt durch Ortschaften – und sieht nur: Da stand mal ein Maibaum», berichtet der Bezirksheimatpfleger von Oberbayern, Norbert Göttler. Übrig seien derzeit oft nur Halterungen.

Am 1. Mai werden traditionell in Bayern, aber auch in anderen Ländern wie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen neue Bäume aufgestellt. Alle zwei bis fünf Jahre wird gemeinhin ein Maibaum erneuert. Die Farbe platzt mit der Zeit ab, der Versicherungsschutz wird schwierig. Zudem lockt das Dorffest, mit dem das Aufstellen begangen wird.

Auch wenn immer öfter und laut Göttler vor allem nördlich von München der Kran anrückt: Die Tradition verlangt Muskelkraft. Mit Stangen hieven an die 20 Helfer die Maibäume in die Höhe. Abstand halten unmöglich. «Man braucht zum Maibaum-Aufstellen eine Menge Leute. Das ist unter Corona-Bedingungen nicht möglich», sagt Göttler.

Ein Verkaufsschlager ist deshalb schon seit Wochen der Maibaum-Bonsai aus Gilching im Landkreis Starnberg. 33 Zentimeter hoch, mit originalen Zunftzeichen und Ortswappen, hat der Verein «Guichinger Brauchtum» die Mini-Version des örtlichen Maibaums als Bastel-Paket für eine Maifeier «dahoam» aufgelegt. Der Maibaum-Bonsai hat fast genau den Maßstab 1:100 – der echte Gilchinger Maibaum misst 30 Meter.

«Bei einer Maifeier kommen locker einmal 1000 Leute zusammen – da führt kein Weg hin», erläuterte der Vereinsvorsitzende René Weber seine Idee. Die Nachfrage nach dem Mai-Bäumchen war enorm. Die ersten 100 Stück, hergestellt in Eigenarbeit aus Baumarkt-Material, waren binnen vier Tagen vergriffen. Der Verein fertigte nach. Der Bauanleitung lagen Links zu Online-Videos mit Volkstänzen bei – zum Üben zuhause. «Mein Ziel ist auch, dass mehr Leute mittanzen, wenn wir wirklich im nächsten Jahr den neuen Maibaum aufstellen», sagte Weber.

Aus Pflöcken, die normalerweise junge Bäume nach dem Umpflanzen stützen, hat Andrea Bugl mit ihrer Schwester Karin in Train im niederbayerischen Landkreis Kelheim einen etwa 2,50 Meter hohen Maibaum zusammengestellt: für den Garten, oder – im Christbaumständer – fürs Wohnzimmer. Auch diese Kreation finde Anklang: «Wir sind jetzt bei guten 200. Jeden Tag kommen neue Bestellungen rein», sagt Bugl. Mitgeliefert werden je nach Wunsch Wappen, Farben, Bänder und Fahne. Der große Maibaum im Ort müsse voraussichtlich demnächst umgelegt werden, sagt Bugl.

Auch in Bad Wiessee am Tegernsee musste der Maibaum weg – jetzt steht er, zersägt in mehrere Teile, als «gebraucht» bei Ebay zum Verkauf. Gut acht Tage vor dem Ende der Versteigerung gab es am Freitag 29 Gebote, und der Preis war bereits auf 151,05 Euro hinaufgetrieben.

«Man kann damit alles Mögliche machen, Sitzbänke, eine Holzvertäfelung», sagt Christian Kausch vom Trachtenverein Bad Wiessee, der mit der Aktion Geld für eine neue Vereinshütte sammelt. Schließlich: Wer hat schon ein Möbel aus echtem Maibaum-Holz. Ansonsten könne man die Maibaum-Reste auch Verheizen.

Einen offiziellen Maibaum werde es in Bad Wiessee dieses Jahr nicht geben, sagt Kausch. Kontaktarmes Aufstellen per Kran kommt für den Trachtenverein nicht in Frage. «Bei uns wird darauf geachtet, dass das ganz traditionell mit Muskelkraft gemacht wird. Dann warten wir lieber etwas länger.»

In der niederbayerischen Stadt Deggendorf können die Zuhausegebliebene am Vorabend des 1. Mai immerhin online in einem Video den Weg des neuen Maibaums aus dem Wald bis zum Stadtplatz verfolgen – und sehen, wie der Baum hergerichtet wird. Für Volksfeststimmung sorgt online die Deggendorfer Stadtkapelle, und die Brotzeit dazu gibt’s aus einer Gaststätte to go – mit Freibier.