donumenta-Schau in Regensburg

Kunstgenuss beim Autofahren oder beim Stadtbummel – geht! Anstatt in Galerien oder Museen hängen Kunstwerke in Regensburg mitten in der Stadt. An Baugerüsten und Hausfassaden sehen wir jetzt Bilder und Fotografien in absolutem Großformat von bis zu über 600 Quadratmetern. Die donumenta-Schau im öffentlichen Raum heißt „14 x 14 – under construction“, wird heute Abend offiziell eröffnet, ist für alle umsonst und total zugänglich – die Kunst läuft uns bis Ende Oktober einfach über den Weg in Regensburg. Die Arbeiten von den14 Künstlerinnen und Künstlern aus 14 Donau-Ländern hängen zum Beispiel an der Parkspindel im Donau-Einkaufszentrum oder an der Polizeiinspektion am Minoritenweg. Die OpenAir Gallery „under construction“ thematisiert das Leben und die Welt als Dauerbaustelle –Veränderungsprozesse in Politik und Gesellschaft.

 

Annetta Mona Chişa and Lucia Tkacova
„Prophecy of Things“
Parkspindel Donau-Einkaufszentrum, Weichser Weg 5

 

Die Fotoserie aus der diese Arbeit stammt, besteht aus hochaufgelösten Bildern von
zerbrochenen Smartphone Displays. Die Künstlerinnen Annetta Mona Chişa and Lucia
Tkacova erwecken bringen die so entstandenen Bilder in einen neuen ästhetischen
Zusammenhang. Vergrößert erinnern die Bruchstellen an architektonische Formen, an Grundoder
Aufrisse von Wohnblöcken oder auch barocke Stilelemente.
„Abstrakte Muster geben den Gebäuden der Stadt einen unfertigen und gleichzeitig poetischen
Anstrich,“ finden die Künstlerinnen aus Tschechien und der Slowakei. Sie wollen ihre Bilder auch
als Stadtpläne, als Luftaufnahmen menschlicher Besiedlungen oder als Visionen künftiger
urbaner Strukturen, verstanden wissen.
Anetta Mona Chişa wurde 1975 in Nădlac, Rumänien, geboren. Sie lebt und arbeitet in Prag
(CZ).
Lucia Tkáčová, geboren 1977 in Banská Štiavnica, Slowakei,lebt und arbeitet in Prag und
Bratislava (SK). Die beiden Künstlerinnen finden: „Kunst ist für uns ein alchemistischer Prozess,
der eine transformative (magische) Wirkung ausüben soll.“

 

Pavel Brăila, Moldawien
“progress”
An wöchentlich wechselnden Bauzäunen

Für Pavel Braila ist ein zeitgenössischer Künstler eine Person, die einem synkretistischen
Weltbild folgt. Er reflektiert verschiedene Weltanschauungen, ist an Verbindenden und
Pluralistischen interessiert und verarbeitet, was in seinem Leben und seiner Umgebung
geschieht. Das Leben selbst wird zu seinem wichtigsten Kunstwerk. Die Artefakte, die während
dieses Prozesses auftauchen, sind Spuren und Erinnerungen – wie Fingerabdrücke. Sie sind Teil
eines Nebenprodukts und Zeichen des Lebens gleichermaßen. „Ich werde beeinflusst von den
Umständen, in denen ich lebe, ob in der Republik Moldau oder sonst wo“, fasst Pavel Braila über
seine Werke zusammen.
Pavel Brăila wurde 1971 in Chișinău, Moldawien geboren und ist aktuell mit Werken auf der
Dokumenta 14 in Kassel vertreten. Der Künstler ist international bekannt für seine Multimediaund
Installationsarbeiten.

 

Jürgen Böhm, Deutschland
“EXIL/EXIT“
Österreicher Stadel, Westfassade, Donaumarkt 1

Flucht und Vertreibung bestimmen seit jeher das Leben vieler Menschen und Völker. Der Arbeit
Jürgen Böhms liegt eine Collage aus Fotografien der letzten 120 Jahren zugrunde. Sie zeigen
Menschen auf der Flucht, in allen Ländern rund um den Globus. Die Fotografien stammen aus
den verschiedensten Regionen unserer Welt. Den Schriftzug EXIT auf einem Notausgangsschild
hat Böhm vor dem Hintergrund der Fotocollage in EXIL verwandelt. Der Künstler spielt mit den
Buchstaben. Ein ausgetauschter Buchstabe verändert die Bedeutung des Wortes. Aus dem
relativ neutralem Wort „Exit“ für Ausgang wird das mit viel Emotion aufgeladene Wort „Exil“.
Jürgen Böhm ist der einzige Künstler des Projekts „under construction“ aus der Oberpfalz und
repräsentiert Deutschland. Er ist 1974 in Nabburg geboren und lebt in Kallmünz im Landkreis
Regensburg. Der Absolvent der Kunstakademie in München beschäftigt sich in seiner Werken
immer wieder mit den Schnittstellen von analog und digital.

 

Yevgenia Belorusets, Ukraine
„Die Siege der Besiegten“
Dr.-Gessler-Straße 1, Westfassade

Als Nachrichtenleser sind wir Zeugen des Krieges in der Ukraine, bemerken jedoch kaum
diejenigen, die versuchen, im Kriegsgebiet ihr Leben weiterzuleben. Yevgenia Belorusets möchte
ich mit meiner Arbeit den Fernsehbildern entgegenwirken, die ausschließlich Gewalt zeigen
entgegenwirken. Sie möchte den Alltag der Menschen unter dem Einfluss des Krieges zeigen. Im
Mittelpunkt ihrer Serie von Fotografien stehen Bergarbeiter und Bergarbeiterinnen wie dieser
rauchende Mann aus dem Donbass, einer Industrieregion in der Ukraine. Yevgenia Belorusets ist
daran gelegen, die noch ungeschriebene Geschichte der Besiegten, derer, die unter dem Krieg
am leiden, zu erzählen. Sie schreibt: „Oft kommt es mir so vor, als würde ich mit meiner Kamera
in den undurchdringbaren Nebel einer amorphen Wirklichkeit starren“.
Yevgenia Belorusets (geb. 1980) lebt und arbeitet in Kiew und in Berlin. Sie ist Fotografin und
Multimedia-Künstlerin, die ihr soziales Engagement und ihr philosophisches Denken immer
wieder in Essays und oder journalistischen Texten formuliert.

 

Lana Čmajčanin, Bosnien -Herzegowina
“Is There Beauty after Aleppo?”
Dominikanerkirche, Bismarkplatz
 
 
 
Welche Rolle spielen Kunst und Kultur heute? Welchen Einfluss haben sie? Lana Čmajanin
stellt angesichts der Schreckens, der uns tagtäglich über die Nachrichten erreicht eine Frage, die
sich kaum jemand zu Fragen traut: „Gibt es Schönheit nach Aleppo?“ und kommentiert ihre
eigene Arbeit so: „Der Hintergrund meiner Arbeit zeigt einen Stadtplan von Syriens größter Stadt
Aleppo. Dort lebten vor dem Krieg mehr als zwei Millionen Menschen.
Ich möchte mit dieser Arbeit an die Lebenswirklichkeit der unbekannten Bewohner Aleppos erinnern. Wie einst die
Menschen im besetzten Sarajevo, der Stadt, in der ich aufwuchs, werden sie viel zu schnell
vergessen.“
LanaČmajčanin, Jahrgang 1983, wuchs in Sarajevo, Bosnien -Herzegowina auf und lebt heute in
Sarajevo und Wien. Die politisch engagierte Künstlerin war international in vielen Ausstellungen
großer Häuser vertreten. Eines ihrer Markenzeichen: In ihren Multimedia – Arbeiten verwendet sie
immer ieder Landkarten und verfremdet sie.
 
Tanja Deman, Kroatien
White Rock
Dominikaner Kirche, Bismarckplatz
Über Jahrtausende haben Flut und Ebbe eine dunkle Linie in den Meeresfelsen graviert. Diese
Linie ist für Tanja Deman ein Hinweis auf die stete Veränderung des Meeresspiegels. Durch den
Klimawandel schmelzen die Pole. Der Meeresspiegel steigt. Der Fels mit der charakteristischen
Zeichnung wird innerhalb kurzer Zeit verschwinden, so die Befürchtung der Künstlerin. Ihr
weißer Stein ist sozusagen Mahnmal und symbolisiert den Klimawandel.
Tanja Deman ist 1982 in Split, Kroatien geboren. Ihre Fotografien raumbezogener Arbeiten sind
in Sammlungen auf der ganzen Welt vertreten.
 
Živa Drvarič
, Slowenien
“the_fact … being_positioned”
Polizeiinspektion, Minoritenweg
„Jeder und jedem von uns sind Grenzen gesetzt, immer wieder aufs Neue und auf
unterschiedlichsten Gebieten“, kommentiert die slowenische Künstlerin diese Arbeit: Etwas soll
sich im Rahmen halten. Das würde den Rahmen sprengen. Etwas fällt aus dem Rahmen. Der
Rahmen ist eine anschauliche Metapher für die Begrenzung, aber er hat auch eine andere
Seite. Der Fensterrahmen bietet Ausblick. Entscheidend sei der Hintergrund, vor dem man sich
bewegt, vor dem sich das Leben entwickelt und abspielt, meint Živa Drvarič. Jeder kann und
muss sich entscheiden, ob und wo er sich anpassen will. Solche Entscheidungen machen das
Leben dynamisch. Der Mensch bleibt in Bewegung und sind damit ständig „under construction“.
Živa Drvarič wurde 1988 in Lubliana geboren und hat dort bis zum Bachelor studiert. Seit 2015
studiert sie in Wien an der Hochschule für Angewandte Kunst.
 
 
Lőrinc Borsos, Ungarn
“Statue of the Unknown God”
gegenüber Blumenstraße 16a an der Bahnlinie
Diese Arbeit bezieht sich auf den Wirbelsturm im Buch Hiob. Die Worte stehen für die Klage
Gottes über die Unvollkommenheit seiner Schöpfung und der Kreatur. Was wir erkennen, ist
geschmolzenes Emaillepulver, das der Schriftzug „Never ending sorry“ bildet. – Ein Wort- und
Gedankenspiel über die Unvollkommenheit menschlichen Lebens. Das ungarische Künstlerduo Lilla
Lőrinc (geb. 1980) und János Borsos (geb. 1980) arbeitet seit 2008 zusammen und setzt sich künstlerisch
unter anderem mit dem Zustand der Demokratie in seinem Heimatland auseinander.
 
 
Ivan Moudov, Bulgarien
“In Common“
Steinerne Brücke, Westseite
Ivan Moudov weist in dieser Arbeit auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des kyrillischen
und lateinischen Alphabets hin. Auf den ersten Blick haben die beiden Alphabet nicht viel
gemeinsam. Eine Gegenüberstellung macht jedoch deutlich, dass es eine ganze Reihe
gemeinsamer Schriftzeichen und Buchstaben gibt.
Der erste Teil der zweiteilig angelegten Arbeit stellt die Gemeinsamkeiten, der zweite Teil die
Unterschiede dar. Insgesamt gibt es 30 Prozent gemeinsame Buchstaben der auf den ersten
Blick so unterschiedlichen Alphabete.
Ivan Moudov ist einer der einflussreichsten Künstler in Bulgarien.
1975 in Sofia geboren, hat er sich vor allem in Europa mit seinen hinterfragenden, absurden und verstörenden Arbeiten einen Namen gemacht.
 
 
Vlad Nancă, Rumänien
“Over” Bäckergasse 37
Eine Siegertreppe auf den Kopf gestellt. Der rumänische Künstler Vlad Nancă
nennt diese Arbeit „Over“. Das erinnert an „game over“: Das Spiel ist aus. Das Objekt, ironisiert den hohen Stellenwert, den Wettbewerbsdenken und Leistungsdruck in unserer Gesellschaft haben.
Gleichzeitig versteht er dieses Werk als Statement gegen Hierarchien und Konkurrenzdenken.
Man kann die Dinge auch anders sehen: Ganz oben kann auch ganz unten sein. Ein Wechsel
der Perspektive erweitert den Blick.Vlad Nancă wurde 1979 in Bukarest geboren und lebt und arbeitet dort heute noch.
 
 
Ana Nedeljković, Serbien
“Untravel“
Parkhaus Continental, Siemensstraße 12
Diese Zeichnung ist Teil des aktuellen Animationsfilmes der Künstlerin mit dem Titel „Untravel“.
Er erzählt die Geschichte eines tristen, von der Außenwelt abgeschnittenen Landes, das von
hohen Mauern umgeben ist und von den „Evil Girls“ bewohnt wird. Diese jungen Frauen stellen
unbequeme Fragen, brechen mit Konventionen, akzeptieren keine vorgegebenen Strukturen
und gestalten so ihre eigene Zukunft.
Ana Nedeljković wurde 1978 in Belgrad geboren. Sie ist für ihre Zeichnungen, Installationen und
Animationsfilme bekannt.
 
Lucia Nimcová, Bratislava, Slowakei
Khroniky – die Hose
Straubinger Straße 26, Ärztehaus 2
Seit 2014 arbeitet Lucia Nimcová am Projekt Khroniky (Chronik). In diesem Projekt entstand ein
Archiv mit Fotografien aus dem Grenzgebiet an der ukrainisch-polnisch-slowakischen Grenze.
Sie dokumentieren Entwicklung und Kontinuität, Aufbruch und Stillstand. Eine Arbeiterhose, die
am Boden liegt, erzählt von denjenigen, die in den Bergen der Grenzregion Blaubeeren
pflücken. Ärzte, Musiker, Soldaten und viele andere versuchen so ihr Einkommen zu sichern.
Sie arbeiten für ausländische Firmen und einen kargen Lohn.
Lucia Nimcová (geb. 1977) ist international bekannte Fotografin und Gewinnerin des
Leica Oskar Barnack Preis 2008. Sie lebt und arbeitet in Brüssel und Humenne (Slowakei) und
studierte an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten in Amsterdam, Niederlande
 
 
Daniel Pešta, Tschechien
„GEN Y“
Synagoge, Am Brixner Hof 2
Daniel Pešta hat oft Fotoalben von Familien gekauft und die Geschichten ganzer Clans studiert.
Ähnliche Gesichter, verschiedene Schicksale. Über allem, so findet er, steht das genetische
Erbe, weitergegeben wie ein roter Faden von Generation zu Generation. Wir leben in einem
Zeitalter, in dem die genetische Information für die Kunst und die Menschheit genauso
bedeutend ist wie für die Naturwissenschaften. Jedes Individuum ist gleich bedeutend, jeder
Charakter einzigartig, kein Gesicht gleicht einem anderen und jedes Gen ist besonders. Dieser
individuelle Unterschied ist die Grundlage für Daniel Peštas Annäherung an das Thema
Menschen.
Daniel Pešta (geb. 1959) ist tschechischer Multimedia-Künstler und Grafiker mit internationalem
Renomée. In den Jahren 2013 und 2015 war Pešta auf der Biennale in Venedig vertreten.
 
 
Siniša Radulović
, Montenegro
“Authorised persons only”
Otto-Hahn-Straße 3, Westfassade
Diesen „Gruß aus Montenegro“ versteht der Künstler Siniša Radulović als Anti-Postkarte, die er
bewusst in schwarz-weiß gehalten hat. Sie zeigt die berühmte montenegrinische Bucht von
Kotor. Hier treffen Vergangenheit und Zukunft brutal aufeinander. Das kleine Land in der Adria
wird zum Hotspot in der Auseinandersetzung zwischen Ost und West. Ausländische Investoren,
geopolitische militärische Interessen und ein florierender Tourismus führen Montenegro in eine
unsichere Zukunft. Den Bildtitel versteht der Künstler nicht als Metapher. Er versteht ihn als
Warnung. Siniša Radulović (geb.1983) lebt und arbeitet in Podgorica, Montenegro. Er hat an der
Kunstakademie in Cetinje Malerei studiert.
 
 
Tommy Schneider, Österreich
„Passo Grande“
Maximilianstraße 29, Südfassade
„Ein großer Schritt nach vorne, dem sich ein mächtiges Quadrat in den Weg stellt. Ist es ein
Hindernis, das Stillstand bedeutet oder öffnet sich ein neuer Raum, den man betreten muss,
betreten darf, betreten kann und betreten möchte?“ Diese Frage inspirierte Tommy Schneider zu
seiner Arbeit „Passo grande“, was so viel heißt wie großer Schritt.

 
 
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